zur Übersicht

Mietvertragliche Kündigungsbeschränkungen schließen das gesetzliche Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG nicht aus.

Ein vertraglich vereinbarter Ausschluss der Eigenbedarfskündigung entfaltet keine Wirkung gegenüber dem Sonderkündigungsrecht des Erstehers nach einer Zwangsversteigerung.

Sachverhalt
Im Jahr 2018 erwarben die Kläger eine Wohnung in München im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Wohnung war seit 2005 vermietet, und zwischen dem ursprünglichen Vermieter und dem Mieter bestand eine Vereinbarung, die eine Eigenbedarfskündigung ausschloss. Die neuen Eigentümer kündigten das Mietverhältnis dennoch wegen Eigenbedarfs, da sie die Wohnung für ihren Sohn benötigten. Der Mieter hielt die Kündigung für unwirksam und berief sich auf die vertragliche Vereinbarung mit dem vorherigen Vermieter. Nach Räumungsklage der neuen Eigentümer entschieden das Amtsgericht München und das Landgericht München I zugunsten der Kläger. Der Mieter legte Revision ein.

Der Bundesgerichtshof (Az VIII ZR 76/20) bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Er stellte klar, dass das gesetzliche Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG durch mietvertragliche Kündigungsbeschränkungen nicht eingeschränkt wird. Der Ausschluss der Eigenbedarfskündigung, der zwischen dem Mieter und dem vormaligen Vermieter vereinbart wurde, entfaltete gegenüber dem Ersteher der Immobilie keine Bindungswirkung.

Begründung
Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG als Bestandteil des Eigentumserwerbs
Das Sonderkündigungsrecht ist eine gesetzliche Versteigerungsbedingung und Bestandteil der staatlichen Eigentumsverleihung. Es gehört zu den grundlegenden Bedingungen der Zwangsversteigerung, die den Inhalt und Umfang des Eigentumserwerbs bestimmen.

Vorrang der Gläubigerinteressen
Der Zweck des Sonderkündigungsrechts nach § 57a ZVG besteht im Schutz der Gläubiger des Vollstreckungsschuldners. Durch die Möglichkeit der Kündigung sollen wertmindernde Faktoren – wie langfristige Mietverhältnisse – reduziert werden, um höhere Gebote im Zwangsversteigerungsverfahren zu erzielen.

Abgrenzung zwischen gesetzlichem und vertraglichem Kündigungsschutz
Während das Sonderkündigungsrecht einen gesetzlichen Anspruch des Erstehers darstellt, bleibt dem Mieter lediglich der allgemeine gesetzliche Kündigungsschutz. Vertraglich vereinbarter Schutz, der über das Gesetz hinausgeht, ist im Rahmen des § 57a ZVG nicht bindend.

Auswirkungen auf die Praxis
Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Praxis der Zwangsversteigerungen und das Mietrecht. Es verdeutlicht, dass der Erwerber einer Immobilie im Wege der Zwangsversteigerung nicht an vertragliche Kündigungsbeschränkungen gebunden ist, die der vormalige Eigentümer mit dem Mieter vereinbart hat. Für Mieter bedeutet dies, dass sie sich bei Versteigerungen nicht auf zusätzliche vertragliche Rechte stützen können, sondern lediglich den allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutz genießen.

Fazit
Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung die Rechtssicherheit im Rahmen von Zwangsversteigerungen gestärkt und die Bedeutung des Gläubigerschutzes betont. Mietvertragliche Regelungen, die über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinausgehen, können das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG nicht aushebeln. Dies stellt sicher, dass die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen einheitlich angewendet werden und das Ziel einer optimalen Verwertung der Immobilie im Interesse der Gläubiger nicht gefährdet wird.

 

Rufen Sie uns an  (0 21 31) 66 20 20

Ihr Ansprechpartner

Jens Schulte-Bromby, LL.M.

Jens Schulte-Bromby, LL.M.