Die Frage, ob eine natürliche Person als Verbraucher oder Unternehmer zu qualifizieren ist, spielt im Vertragsrecht eine zentrale Rolle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinem Urteil vom 24. Oktober 2024 (C-347/23, ZIP 2024, 2643) erneut mit dieser Abgrenzung befasst und dabei wichtige Leitlinien formuliert.
Hintergrund des Falls
In dem zugrunde liegenden Fall hatten zwei natürliche Personen ein grundschuldbesichertes Darlehen aufgenommen, um eine Wohnimmobilie zu erwerben, die zur entgeltlichen Vermietung vorgesehen war. Ziel der Vermietung war es, Einnahmen zu erzielen. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Darlehensnehmer als Verbraucher oder Unternehmer anzusehen sind.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat zunächst klargestellt, dass die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer anhand eines funktionellen Kriteriums erfolgt. Maßgeblich ist, ob die betreffende Vertragsbeziehung im Rahmen der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht. Der Begriff "Verbraucher" ist dabei objektiv zu verstehen. Es kommt nicht auf die Kenntnisse der Person oder die verfügbaren Informationen an (Rn. 25).
Die Prüfung, ob die Personen als Verbraucher oder Unternehmer anzusehen sind, obliegt dem nationalen Gericht. Dieses muss alle Beweise sowie den Inhalt des Vertrags berücksichtigen. Entscheidend ist insbesondere die Art des finanzierten Vermögensgegenstandes und dessen Zweck (Rn. 30).
Der EuGH deutete jedoch an, dass die Darlehensnehmer seiner Ansicht nach keine gewerblichen oder beruflichen Zwecke verfolgten. Vielmehr diente der Darlehensvertrag der Steigerung ihres Privatvermögens, da der Erwerb der Immobilie eine private Investition darstellte (Rn. 33).
Selbst die Absicht, finanzielle Vorteile durch die Vermietung der Immobilie zu erzielen, oder die Einschaltung eines Fachmanns für den Erwerb und die Verwaltung sprechen laut EuGH nicht zwingend gegen die Verbrauchereigenschaft.
Praktische Bedeutung und Praxistipp
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden Einzelfallprüfung durch die nationalen Gerichte. Die bloße Absicht, Einnahmen zu erzielen, oder die Einschaltung professioneller Dienstleister reicht nach Auffassung des EuGH nicht aus, um die Verbrauchereigenschaft auszuschließen.
Praxistipp:
Obwohl der EuGH nahelegt, die Darlehensnehmer in diesem Fall als Verbraucher anzusehen, bleibt es abzuwarten, wie das nationale Gericht entscheidet. Die Einordnung als Unternehmer könnte durch Faktoren wie die Gewinnabsicht oder die Einbindung eines Fachmanns gestützt werden. Es ist daher ratsam, bei der Vertragsgestaltung auf klare Dokumentation der Zwecke und Absichten zu achten, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
Fazit
Das Urteil des EuGH stärkt die Rechte von Verbrauchern und betont die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung. Für Kreditinstitute und Vertragsparteien ergibt sich daraus die Verpflichtung, präzise zu prüfen, ob ein Vertragspartner als Verbraucher oder Unternehmer einzustufen ist, um Risiken durch rechtliche Streitigkeiten zu minimieren.
Markus Jansen